Der Miesepups mochte kalte und dunkle Tage, denn dann konnte man so schön drinbleiben. Drinbleiben war für ihn das Größte. Dann konnte er hören, was er dachte. Und er konnte summen, ohne dass jemand mitsummen wollte. Und er konnte essen, was er wollte und auch wie. Mit Kleckern und Krümeln. Und dann die Krümel vom Boden essen. Wenn das jemand sehen würde, würde der doch rufen: „Miesepups, igitt, das macht man nicht!“
Der Miesepups ging sehr gern nicht raus. Am allerliebsten ging der Miesepups im Winter nicht raus. Es war herrlich, im Winter nicht rauszugehen. Vor allem, wenn es geschneit hatte.
Öh, kalt, sagte der Miesepups dann, wenn seine kleine Zehe unter der Decke rauskuckte. Und er fand, wenn schon seine kleine Zehe so ungern außerhalb des Bettes war, dann sollte er seiner kleinen Zehe unbedingt glauben.
„Klopf, klopf! Stubenhocker“, rief das Kucks von draußen und klopfte und klingelte zur Sicherheit dreimal. „Wir, ähm, ich wollte dich besuchen. Wir sind doch jetzt befreundet.“
„Aber das heißt doch nicht, dass wir ständig zusammen sein müssen“, antwortete der Miesepups.
„Nein, nein, Miesepups. Nicht immer, aber heute. Es ist Weihnachten.“
Da stand der Miesepups auf und wackelte zu Tür, aber das bereute er gleich, denn vor der Tür stand die halbe Waldbevölkerung und rief: „Frohes Fest!“
Der Miesepups versuchte erst gar nicht auszusehen, als ob er sich freute, denn ihm wurde ganz schlecht davon, wenn er tun sollte, wie er gerade nicht war.
„Nakinchen kennst du ja. Und den Schuster kennst du ja. Und das ist Rehtütü und noch ein paar andere. Und die Geschwister Nichsodoll, Nichsolaut und Nichsoschnell.“
„Verdammte Axt, die klingen aber anstrengend.“ Der Miesepups kratzte sich am buschigen Kopf.
„GARNICHT!“, rief Nichsolaut.
„Nich so laut, Nichsolaut“, baten die Tierchen Nichsolaut.
„Rfreutsichajaganich.“
„Nich so schnell“, sagten die Tierchen zu Nichsoschnell. „Sprich doch mal deutlich.“
„Habido“, ratterte Nichsoschnell.
Der Miesepups hatte schon davon gehört, dass Weihnachten anstrengend war, zumindest für einige, aber auch schön, aber auch anstrengend, aber vor allem schön.
Der Miesepups fand es am schönsten allein in seiner Baumhöhle, aber wie es aussah, war nun eine andere Art schön dran.
„Können wir denn jetzt rein“, fragte das Kucks. „Kuck mal, hier ist überall Schnee und von oben fällt noch mehr runter. Und es wird kalt an den Ohren.“
Tatsächlich schwebte von oben sehr viel Weiß herunter. Richtig dicke Flocken, die erst noch ein wenig nach links und rechts taumelten, bevor sie sich zu den anderen Flocken legten und gemeinsam zu Schnee wurden.
„Könntest du dich jetzt aufregen?“, fragten die Tierchen, „bittebitte, sags einmal. Das ist immer so lustig.“
„Das ist lustig?“, brüllte der Miesepups. „Ich könnt mich aufregen.“
Die Tierchen lachten sich halb schief.
Der Miesepups hob ratlos seine Arme. „Bevor ihr draußen festfriert und den ganzen Winter vor meiner Höhle rumsteht …“ Er seufzte. „Kommt halt rein. Dann mach ich euch Wursttee!“
„IHGITT!“, rief Nichsolaut.
„Nich so laut, Nichsolaut!“, daraufhin die Tierchen. Dann purzelten sie einer nach dem anderen zum Miesepups rein und setzten sich alle zusammen auf seinen einen Stuhl, denn sie waren ja alle ziemlich klein und da konnten sie sich auch gut stapeln.
„Aha, dieses Weihnachten also“, grummelte der Miesepups, während der Wurstteewasser aufsetzte und Tassen und Wurstteebeutel aus dem Schrank nahm. „Das Fest, wo man sich hin und her schenkt. Kann mich dran erinnern. Was schenkt man sich nochmal so? Ente mit Klößen? Soße in Geschenkpapier?“
„Nein, ach was!“, lachte das Kucks. „Man schenkt etwas, dass der andere sich gewünscht hat. Das ist ganz wichtig, dass der andere das wollte.“
Dem Miesepups fiel etwas ein und da er immer nur die Wahrheit sagte, weil er nicht lügen konnte, sagte er auch jetzt die Wahrheit: „Ich wünsche mir zu Weihnachten, dass ich meine Ruhe habe!“
Da mussten alle schon wieder lachen. Der Miesepups war zu ulkig.
„WIRKLICH!“, brüllte der. „Ich will meine Ruhe!“
„DANN BRÜLL NICHT SO!“, brüllte Nichsolaut.
„Nicholau!“, sagte Nichsoschnell.
Und Nichsodoll musste so doll lachen, dass er sich verschluckte. Aber er war trotzdem noch da.
„Woher weiß man eigentlich, wann Weihnachten ist?“, fragte der Miesepups und goss den Wursttee ein. Der duftete herrlich. Also für den Miesepups, für seine Gäste roch er nach alter Schulstulle.
„Das weiß man, weil da der Weihnachtskalender leergefuttert ist. Daher weiß man das.“ erklärte Nakinchen und schnupperte mit der kleinen Nakinchennase an dem abenteuerlichen Wursttee.
Als der Miesepups fragte: „Was ist denn ein Weihnachtsgeländer nun schon wieder?“, fielen die Tierchen fast vom Stuhl vor Lachen. Sie hörten erst auf, als der Miesepups androhte, sie allesamt aus seiner Höhle zu pusten, wenn sie nocheinmal über was lachten, was er nicht wusste, weil er ein Miesepups war. Dafür konnte er ja immerhin nichts.
Also erklärten sie ihm, was ein Weihnachtsgeländer war und dass es Weihnachtskalender hieß und dass vierundzwanzig Türchen dran waren.
„Heiliger Bimmbamm!“, rief der Miesepups. „Vierundzwanzig Türchen und dann muss man vierundzwanzig Mal rausgehen oder was? Lieber reiß ich ganz schnell ein Pflaster von meinem Arm. Sodass lauter Moos dran kleben bleibt.“
Eigentlich wollte die Tierchen darüber schon wieder lachen, aber sie ließen es lieber und erklärten dem Miesepups geduldig alles. Er hatte wirklich gar keine Ahnung von den guten Weihnachtsdingen. Er kannte zum Beispiel keinen Lebkuchen. „Leben die?“, schrie er.
Da klopfte es.
„Keiner da, der antworten kann!“, riefen alle und lachten.
Draußen stand das Heichörnchen und schlotterte und stotterte vor Kälte. „Es schneineineineite so dollolloloo und da dadadadachte ich …“
„Da dachtest du, du störst meine Einsamkeit“, beendete der Miesepups ganz falsch den Satz. Das hatte das Heichörnchen gar nicht sagen wollen.
„Aber dududududu bist ja gagagagar nicht eieieiei…“
„Nein, ich bin kein Ei!“, ergänzte der Miesepups wieder falsch, und das war mal wieder eine tolle Gelegenheit für alle, so sehr zu lachen, dass der Baum wackelte, in dem Miesepups bekanntermaßen lebte.
Das Heichörnchen wurde eingelassen und bekam ebenfalls einen schönen warmen Wursttee, den es nicht trank, sondern nur in den kalten Händchen hielt.
Jetzt wollten alle den Weihnachtsbaum schmücken, aber es war kein Baum da, nur der Baum, in dem sie drin waren.
Also schmückten sie den Besen vom Miesepups. Auch wenn es in seiner Höhle nicht so aussah. Er hatte einen Besen.
Sie hängten die Wurstteebeutel an den Besen und Schnürsenkel und rote Schnipseln, die beim Miesepups auf dem Boden herumlagen, aber dann lagen sie ja nicht mehr auf dem Boden und dadurch war es auch ein bisschen ordentlicher gleich.
„Oh, schön“, jubelten alle, obwohl es wirklich schönere Weihnachtsbäume gab. „Und wie feierlich“, riefen sie, obwohl wirklich die meisten Weihnachtsbäume schöner waren.
„JETZT MÜSSEN WIR UNS WAS SCHENKEN!“, rief Nichsolaut.
„Nicht so laut, Nichsolaut!“, rief der Miesepups, denn nur weil er selber oft laut wurde, hieß das nicht, dass er das bei anderen mochte.
Es war nun nichts richtiges zu Schenken da und so beschloss man, sich was zu schenken, was kein Ding war.
„Was denn?“, fragte der Miesepups „Pupse?“
„Nein, ein Lied oder so“, schlug das aufgetaute Heichörnchen vor.
Der Miesepups sagte, dass er eigentlich nichts dagegen habe, aber ob es möglich wäre, dass er sich Kopfhörer aufsetzen würde und eine Lakritzschnecke mit seinem Lakritzschneckenschallplattenspieler hörte.
„Warum denn nicht?“ ,überlegte das Kucks, „Wenn du so du sein kannst und wir so wir. Und zwar alle an einem Ort.“
Dann ging das Gesinge los. Sie sangen die ganzen bekannten Weihnachtslieder wie: „Ein Fisch ist uns erschienen“, „Morgen, Günther, wird’s was geben“, und als sie bei „Huhuhuhu, den Niklaus drückt der Schuh“ waren, begann der Miesepups plötzlich ganz laut und hoch mitzusingen. Wie ein Piepsengel mit rosa Hemdchen klang er. Und er sang auch gar nicht das richtige Lied. Er sang irgendein Lied von der Schallplatte.
Alle lauschten und ganz kurz hätte es auch sein können, dass sie ganz doll lachen mussten, aber sie wollten das scheue Stimmchen nicht verscheuchen, das aus dem Miesepups herauskam, aus dem normalerweise nur Gepolter und Gegrummel kam.
Das Lied ging so und man musst es wirklich ganz, ganz hoch singen:
Nähe ist ein Ofen
Oh oh Oooofen
Jemand lieb haben ist wie Ameisen
Kommt erst eine her, komm bald noch viel mehr
Huhuhu
Die Liebe ist die Tante der Freundschaft
Ahahaha
Denn zwei Butterblumen könne sich nicht besuchen
Yeahyeahyeah
Wegen ihrer Wurzeln
Lalalalalala
Nähe ist ein Ofen
Oh Oh Oooooofen
So warm oder heiß. Manchmal auch kalt.
Kommt drauf an, ob man Kohlen in den Ofen macht oder nicht.
Oh Oh Ooooofen.
Und als der Miesepups sehr oft die Zeile „Nähe ist ein Ofen“ sang, da sangen einfach alle mit und so hatte der Miesepups doch mit ihnen gesungen, auch wenn er davon gar nichts mitbekam.
Dann nahm der Miesepups die Kopfhörer ab und blökte sofort los: „Glotzn ihr so?“
„Du hast so schön gesungen“, sagte das Kucks und alle fanden das und nickten.
Aber der Miesepups zeigte ihnen einen Vogel. „Ihr habt ja alle einen Trilli unterm Pony! Ich hab doch nicht gesungen. Ich kann doch gar nicht singen.“
„Miesepups, du weißt gar nicht, was du alles kannst“, sagte das Kucks.
„Na, gleich kann ich mich mal richtig aufregen. Klappe jetzt, alle! Und Wursttee trinken. Der wird doch sonst kalt. Dann schmeckt er nicht.“
Alle tranken ganz tapfer ihren Wursttee, wobei Nichsodoll schlürfte und Nichsolaut ihm zu laut sagte, dass man nichsodoll schlürfen dürfte, aber Nichsoschnell sagte: „Beimiesepupsuhauseschon.“
Der Wursttee schmeckte gar nicht so schlecht, wenn man sich erstmal daran gewöhnt hatte. Und wenn es draußen schneite. Und man einen geschmückten Besen hatte. Und alle Freunde da waren.
[Text: Kirsten Fuchs, Bild: Cindy Schmid]